Daniela ist Asperger-Autistin. Seit ihrer Diagnose wollte sie einen Comic darüber zeichnen, wie es ist, als Autist zu leben, zu sehen, zu fühlen. Wörter allein haben dafür einfach nie ausgereicht. In ihrem Debüt "Schattenspringer" zeichnet sie nun ihre Kindheit bis zum Erwachsenenalter auf und zeigt, welche Hürden es dabei zu meistern gilt, von denen Nicht-Autisten nicht einmal ahnen, dass sie überhaupt existieren. Einfühlsam und authentisch legt sie dar, wie sich im Anderssein der Alltag gestaltet. Gleichzeitig erkennt man sich auch als Leser oft in den von ihr beschriebenen Situationen wieder.
"Nur weil man etwas nicht sieht, heißt es nicht, dass es nicht da ist." (S. 153)
Volltreffer! Noch nie habe ich mich so verstanden gefühlt, wie in den bildlichen Szenen von dieser Autistin. Natürlich muss ich dazu sagen, dass mich dieses Thema aufgrund gar nicht einmal so lang vergangener Arbeit mit einem Asperger-Autisten Kind sehr anspricht. Und auch sonst bewunderte ich schon früher die Eigenarten dieser Entwicklungsstörung. Denn genau das ist es, wie Daniela fürsorglich in ihrer Graphic Novel erklärt. Keine Krankheit, aber doch manchmal von einer anderen Welt. Viele verstehen nicht, was es damit auf sich hat und bemerken nicht einmal, wenn sie jemanden mit dem "Wrong-Planet-Syndrom" vor sich haben. Es gibt viele individuelle Arten des Autismus und so beschreibt dieses Buch nur eine Möglichkeit der unterschiedlichen Formen, welche sich in allen Bereichen der Sinneswahrnehmung zeigen. Trotzdem ist es für mich eine ausreichende und detaillierte Anschauung von Momenten, die ein autistischer Mensch im Alltag überwinden muss.
Von klein auf, als AS noch nicht so bekannt war, wurde Daniela starken Reizen ausgesetzt. So ist es für 'normale' Menschen kaum vorstellbar, dass butterweiches Gras unter ihren Füßen sich anfühlen muss, wie Messer scharfe Klingen. Aber nicht nur Empfindungen sind bei ihr verstärkt. Die zweite Richtung, in der sich Probleme entwickeln, ist der Umgang mit anderen Menschen. Vergesst das Bild des stummen, vor sich hin schaukelnden Kindes. So etwas kommt nur in den äußerst starken Fällen vor. Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, wenn viele Umwelteinflüsse auf einen einwirken, sind nichts ungewöhnliches.
Egal in welcher Phase Daniela sich beschrieb, ob im Grundschulalter, unterwegs auf der Straße oder auf dem Gymnasium, ich fühlte mich ihr stets verbunden und dachte mir immer wieder: Ja, so ähnlich habe ich das auch schon erlebt. Verständnis ist besonders wichtig, um Anschlüsse zu finden und nicht in der Menge unterzugehen. Und wir alle wissen, wie schrecklich die Schulzeit allein schon sein kann... Nur selten dachte ich mir, dass die Darstellungen ein klein wenig übertrieben wirken. Dass so etwas unmöglich sein kann. Aber gerade die überspielte Form macht deutlich, was 'normale' Menschen alles nicht wahrnehmen und verpassen. Der passende Humor dazu löst dann auch die letzte Berührungsangst zu dem Thema.
Die offene Art der berliner Autistin, vermischt mit fantasievoller Erklärungsfreude, geben ein wundersames Zusammenspiel ab. Noch nie hatte ich so viel Spaß an einer mehr oder weniger privaten Erzählung um ein biologisches Phänomen. Danielas nerdige Seite hatte mich natürlich sofort gefangen. Allem in allem scheint sie eine interessante, aufrichtige Person zu sein. Ich meine, hey, jeder von uns hat so seine Macken! Da machen ihre doch kaum etwas aus. Live long and prosper!
Vielen lieben Dank an den Verlag!
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