Es gibt Zeiten, da halten wir uns an ihnen fest. Da klammern wir uns an ihre Seelen und lassen uns mitnehmen von den Dämonen und Geistern darin. Geschichten. Sie entführen uns in fremde Welten, zeigen uns Gefühle, die wir noch niemals erlebt haben. Lassen uns weinen, lachen, singen und wütend schreien. Regen unsere Fantasie an und lassen uns träumen. Von mehr. Dinge, die es in der realen Welt nicht gibt. Und wenn wir sie hier brauchen, holen wir sie aus unserer Erinnerung zurück. Vielleicht teilen wir sie auch mit anderen und verbreiten das Glück, den Trost und die Magie, die sie uns bringen.
Freitagabend. Irgendwo steigt eine Party und Freunde laden mich dazu ein. Dem sozialen Drang nachgebend stimme ich zu und gehe hin. Laute Musik spielt. Es wird gelacht und getrunken. Getanzt und ... Ich geh' dann mal lesen! Zum Glück habe ich noch daran gedacht, das Buch in die Tasche zu packen. Denn ohne Buch verlasse ich niemals das Haus. Ohne Buch habe ich nur die Erinnerungen, welche in Rauchschwaden zum Stillstand verdammt sind, ohne die Geschichte weitererzählen zu können.
Samstagmorgen. Es wurde spät. Nach einem ausgedehnten Frühstück fragen Freunde, ob ich mit ihnen shoppen gehe. Hm, eine Shoppingtour am Wochenende? Ich denke an all die Bücher, die ich ergattern könnte unter den seltsamen Blicken meiner Freunde. Und all die anderen Menschen, die mich anstarren, wie ich mit einem Berg von Geschichten aus dem Laden trete. Die Blase zerplatzt. Ich sage ab und stelle mich vor das Regal, ziehe ein Buch heraus und beginne den Tag. Ich bin dann mal lesen! Und das Haus werde ich heute bestimmt nicht mehr verlassen.
Sonntag. Es regnet. Ich schaue aus dem Fenster, sehe den einzelnen Tropfen zu wie sie gegen die Scheibe fallen und daran herunter gleiten. Das Wasser bildet Pfützen, in denen die schweren Wolken sich dunkel spiegeln. Die Wärme der Sonne wird hinter diesem düsteren Schleier verborgen. Einen Augenblick sehe ich noch hinaus, dann wende ich mich ab, gehe auf leisen Sohlen in die Küche und gieße mir einen Tee ein. Mit einer warmen Decke mache ich es mir gemütlich, schlage das Buch auf. Ich bin dann mal lesen! Denn das Wetter da draußen verlangt es. Außerdem könnte man an einem ruhigen Sonntag sowieso nichts besseres machen.
Montagnachmittag. Arbeitskollegen möchten nach Feierabend noch etwas essen gehen. Der Laden, den sie vorschlagen, ist immer gut besucht und ich würde sterben für dieses wunderbare Essen. Allerdings bin ich nach diesem Arbeitstag sowieso schon total ausgelaugt und eine weitere Tour schaffe ich bestimmt nicht mehr. Ich sage ab und verkrümel mich Zuhause mit einem guten Buch zur Entspannung, während ich auf meine Bestellung aus eben dem Laden warte, in dem die anderen gerade essen sind.
Dienstagnacht. Lärm da draußen. Irgendwelche Bekloppten schreien herum, hupen mit ihren Autos und gröhlen durch die Dunkelheit. Ich ziehe mir das Kissen über den Kopf, doch es hilft nichts. Für einen kurzen Moment ist Ruhe, dann wird die Luft knapp und ich krieche aus dem Bett. Leise schleiche ich durch die Wohnung. Wenn ich schon nicht schlafen kann, dann möchte ich wenigstens wissen, wie die Geschichte endet. Nur noch zwei oder drei Kapitel warten auf mich. Ich bin dann mal lesen! Und lege eine Nachtschicht ein ...
Mittwoch, ein Feiertag. Ich habe gehört, was die anderen an ihrem freien Tag vorhaben. An den See fahren. Einen Ausflug mit der Familie machen. In den Freizeitpark oder einfach mal etwas Wellness genießen. In der Nähe gibt es ein Schwimmbad, doch an diesem Tag trägt es nicht zu meiner Entspannung bei. An diesem Tag verhalte ich mich wie ein Einsiedler, gehe noch kurz ein paar Snacks einkaufen und stürze mich dann in das nächste Abenteuer. Ich bin dann mal lesen! Versucht gar nicht erst, mich aus dem Bett zu klingeln. Die Tür bleibt zu!
Donnerstagvormittag. Geschäftsreisen gegenüber bin ich eher verhalten. Sie bieten etwas Abwechslung, verlangen aber auch eine Menge ab. Mit ein paar anderen Kollegen steige ich in den Zug und während sie sich den Vierersitz schnappen, setze ich mich gegenüber alleine hin, hole das Buch aus meiner Tasche und vertreibe somit meine Zeit. Ich bin dann mal lesen! Vier Stunden bis zur Ankunft. Ob ich die große Wendung noch vor dem Ziel erfahre?
Für jeden Wochentag ein Bucherlebnis. Würde jede Woche so verlaufen, hätte ich wohl schon längst keinen SuB mehr. Aber der Satz "Ich bin dann mal lesen" erklingt sowieso viel zu selten in meinem Umfeld. Habt ihr schon solche Erfahrungen gemacht, bei denen ein Buch eure Rettung war? Kontakt zu anderen Menschen - Hilfe!? Oh, tut mir leid, ich lese gerade. Oder eine Veranstaltung, auf die ihr so gar keine Lust hattet und ein Buch als Ausrede vorgeschoben habt? Momente, in denen ihr euch allein und hilflos fühltet und einfach einen Freund brauchtet, der nur zuhört. Zudem gut riecht und wunderbare Gutenachtgeschichten erzählt. Bücher sind unsere Begleiter im Leben. Sie gehören zu einigen, wie die Luft zum Atmen. Seite um Seite lernen wir aus ihnen und wachsen Wort um Wort. Und selbst wenn wir aus den Geschichten herauswachsen, können wir sie als eines der kostbarsten Geschenke weitergeben.
Meistens mache ich das über meinen Kindle, der spart Platz, ist leicht und unterwegs beschädige ich keine Bücher. Den Kindle und damit einen Stapel Bücher hab ich fast immer dabei. Man kann ja nie wissen, wann man die Gelegenheit hat. Und seit ich wieder Bus statt Auto fahre, hab ich auch wieder mehr Gelegenheiten. ;)
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